Prozess um Mord in Bulgarien: Privatleben im Fokus des Gerichts
22. August 2016, 17:11 Uhr
Kollege Holger S. aus Düsseldorf tat sich schwer. Der 41-jährige Bundeswehr-Beamten musste am Montag vor dem Aachener Schwurgericht als Zeuge auftreten, weil die Richter Auskunft über das Mordopfer, den bei der Tat am 4. September 2015 in Bulgarien brutal getöteten Technischen Regierungsrat Wolfhard S. aus Eschweiler, einholen wollten.
„Was war S. für ein Mensch, wie stand es um sein Privatleben, und welches Verhältnis hatten Sie zu ihm?“, fragte der Vorsitzende Richter Markus Vogt. Zögernd begann Holger S. die Persönlichkeit jenes Mannes zu schildern, der ihn 2010 in Düsseldorf in den Job eingearbeitet hatte und zu dem er schnell auch privat ein freundschaftliches Verhältnis entwickelte. „Er war sehr umgänglich, sehr gewissenhaft“, berichtete der Zeuge, ein ausgeglichener Mensch, der jedes Wochenende von der Arbeitsstelle in Düsseldorf zurück nach Eschweiler zu seiner Ehefrau Julia S. fuhr.
Als allerdings der jetzt wegen Mordes angeklagte Andrey T. (42) sich in seinem Haus breit machte, kamen dem damals 48-Jährigen dann doch Zweifel, ob das dort zu Hause in Eschweiler alles so richtig lief. „Er berichtete zunächst positiv über den neuen Mitbewohner“, sagte der Zeuge. Den hatte seine Frau bei der Arbeit an der Raststätte Aachen-Land kennengelernt. Jener verstand als Bulgare Russisch, Wolfhard S.‘ Ehefrau stammt aus Moskau.
Doch dann gab es anscheinend Probleme zu Hause, schließlich nahm er sogar Medikamente, um Depressionen vorzubeugen. „Als einige Tage nach der Tat die Nachricht in Düsseldorf ankam, dass Wolfhard tot sei, war das unfassbar für uns.“ Eine Kollegin, mit der man des Öfteren etwas unternommen hatte, habe spontan auf Mord getippt.
„Sie vermutete unmittelbar ein Komplott der Ehefrau oder eine Tat des organisierten Verbrechens“, schilderte S. die Situation von damals. Später dann wurden der Mordangeklagte Andrey T. und die Ehefrau des Opfers im Haus in Eschweiler festgenommen, er in ihrem Bett. Sie kam wieder frei und wurde bislang nicht angeklagt.
Warum dies so ist, dazu wollte die Aachener Staatsanwaltschaft auf Anfrage unserer Zeitung keine Auskunft geben – „ermittlungstaktische Gründe“, hieß es lapidar.
Das LKA fand bei den 130 Asservaten verräterische Blutspuren des Mordopfers im Pkw des Angeklagten, der zur Mordzeit seine Ehefrau in Warna besuchte. Gutachterin Dr. Katrin Hoppe erläuterte „Beimengungen“ der DNA des Angeklagten, die man unter Blutspuren des Geschädigten am Waschhebel und am Marmortisch im Bad des Hotelzimmers im „Magnolia“ fand. Im Pkw von Andrey T. wurde man ebenso fündig. Der Prozess geht am 6. September weiter.
Aachener-Zeitung