Schüsse in Harburg: War Zwangsheirat das Mordmotiv?
Boban K. wurde in Harburg in seinem Auto erschossen. Angeblich wollte er die Hochzeit seiner Tochter verhindern. Kriminologe warnt.
Harburg. Es war eine Hinrichtung wie in einem amerikanischen Gangster-Film. An der Steinikestraße, gleich gegenüber einem Haus der Jugend, fielen Schüsse aus einem Kleinwagen. Die Kugeln galten Boban K. (43), der gerade in sein Mercedes Coupé gestiegen war. In Kopf und Hals getroffen, sackte der Mann zusammen (...)
Im Rahmen der Fahndung stoppte ein Peterwagen der Wache Harburg an der Bremer Straße einen VW Polo. Die beiden Insassen, zwei 20 und 27 Jahre alte Männer, die wie das Opfer aus Serbien stammen, wurden festgenommen. Einen von ihnen hält die Polizei für den Schützen. Zuvor hatten Beamte bereits den Fiat entdeckt, aus dem geschossen wurde. Er stand verlassen an der Straße Erlenhöhe.
Noch am Vormittag stürmte das Mobile Einsatzkommando mit drei Gruppen, zusammen gut 25 Mann, das Wohnhaus der Großfamilie, zu der die beiden festgenommenen Tatverdächtigen gehören.
Laut Bekannten des Opfers soll es zwischen Boban K., der den Namen seiner Frau angenommen hatte, und Teilen seiner Sippe bereits seit Längerem Streit gegeben haben. Demnach ging es um eine der beiden Töchter, die der Mann mit seiner Frau hatte. Boban K. wollte nicht, dass sie, wie von dem anderen Familienflügel gefordert, verheiratet wird. Er soll, so sagen Bekannte, darauf gepocht haben, dass sie erst ihren Berufsweg einschlagen und selbst entscheiden soll, wann und wen sie heiratet. Ob das auch das Motiv der Todesschüsse ist, konnte oder wollte die Polizei nicht sagen (...)
Kriminologe warnt vor ähnlichen Taten für die Zukunft
Der Kriminologe der Leuphana Universität in Lüneburg, Dr. Wolf-Reinhard Kemper, sieht als Auslöser solcher Taten ein "diffuses Ehrgefühl". "In einigen Kulturkreisen gibt es Vorstellungen von Ehre, die den meisten Westeuropäern verschlossen bleiben", sagt Kemper. Dazu komme der hohe Grad der Bewaffnung. "Gerade in diesen Kulturkreisen üben Waffen eine besondere Faszination aus", sagt er. Die meisten in der Regel illegal besorgten Schusswaffen, die auch benutzt werden, werden bei Streitigkeiten innerhalb solcher Familien eingesetzt."(...) Jetzt aber werden Taten hingenommen, bei denen mindestens eine gleich große Gefährdung Dritter bestand", sagt Kemper. Auch dafür hat er eine Erklärung. "Es gibt einfach Gruppen, die will man, vor allem in dieser Zeit, nicht anfassen." Eines hält er ebenfalls für sicher. "Das wird nicht die letzte Tat dieser Art gewesen sein. Wir werden uns auf so etwas in Zukunft sogar vermehrt einstellen müssen."
Hamburger Abendblatt