
Polizei gibt im Mordfall Annika Brill vorerst auf
Der Mord an der jungen Studentin Annika Brill schockierte vor fast genau zwei Jahren Hannover. Jetzt sollen die Ermittlungen in Kürze eingestellt werden – obwohl der Mörder der jungen Frau noch immer nicht gefasst ist.
Zusammenfassung:
27. November 2011: Gegen 19.15 Uhr wird die 20-jährige Studentin Annika Brill vor ihrer Wohnung in der Kohlrauschstraße durch mehrere Messerstiche verletzt. Sie stirbt wenig später im Krankenhaus.
2. Dezember 2011: Die Kripo veröffentlicht eine Phantomskizze des mutmaßlichen Täters. Das Bild stellt die Polizei auch auf ihre Facebook-Seite. Die erhoffte Wirkung bleibt aus. Die Ermittler werden mit Hinweisen und Kommentaren regelrecht überflutet, sodass sie die Zeichnung wieder aus dem Netz nehmen müssen.
5. Dezember 2011: Annika B. wird auf dem Stöckener Friedhof beigesetzt.
28. März 2012: Die Polizei bittet rund 1000 Männer zum Speicheltest, um dem Täter per DNA-Abgleich auf die Schliche zu kommen. Trotz der regen Beteiligung ist auch dieser Schritt nicht erfolgreich.
27. November 2012: Ein Jahr nach dem Verbrechen setzt die Polizei eine Belohnung von 5000 Euro für Hinweise auf den Täter aus. Die Summe musste bislang nicht ausbezahlt werden, verwertbare Tipps gingen nicht ein.
Artikel aktualisiert: Montag, 25.11.2013 00:16 Uhr
Hannover. „Wir arbeiten noch die letzten Hinweise ab, danach können wir vorerst nichts mehr tun“, sagt Polizeisprecher Holger Hilgenberg. Am 27. November 2011 war Annika B. vor ihrer Wohnung in der Kohlrauschstraße niedergestochen worden. Jetzt befürchtet ihre Familie, dass das Verbrechen nie aufgeklärt werden könnte.
Dabei waren die Mordermittler, wie erst jetzt bekannt wurde, im Verlauf ihrer Nachforschungen auf eine heiße Spur gestoßen. Sie führte in die Nähe von Rostock. Monate vor ihrem gewaltsamen Tod fühlte sich Annika Brill einer konkreten Bedrohung ausgesetzt. „Da gibt es einen Mann, der will mich umbringen“, soll die junge Frau etwa im März 2011 ihrer Mutter anvertraut haben. Auf ungläubiges Nachfragen soll B. geantwortet haben: „Doch, das stimmt, der hat gesagt, er kommt im November hierher, und dann holt er mich und bringt mich um.“ Den Namen des Mannes, von dem sich die junge Frau bedroht fühlte, wollte sie damals nicht preisgeben. Auch den eindringlichen Rat ihrer Mutter, sich deshalb mit der Polizei in Verbindung zu setzen, schlug sie aus. „Wir sind diesen Hinweisen nachgegangen, haben auch drei bis vier Personen überprüft – die Ergebnisse waren immer negativ“, sagt Polizeisprecher Hilgenberg.
Annika Brills Eltern halten die Rostock-Spur weiterhin für den wichtigsten Hinweis in dem Fall. Sie haben selbst Nachforschungen angestellt und sind dabei auf den Namen des Ortes in der Nähe der Hansestadt gestoßen, in dem der Verdächtige damals gelebt haben soll. „Wir haben diesen neuen Hinweis sofort an die Polizei weitergeleitet“, sagt Rechtsanwalt Matthias Waldraff, der Annikas Eltern vertritt.
Generell kritisiert der Strafverteidiger das Verhalten der Behörde gegenüber den Hinterbliebenen in diesem spektakulären Fall. „Hier müssen die Angehörigen regelmäßig auf dem Laufenden gehalten werden, sonst wächst bei ihnen völlig unnötig Misstrauen“, sagt Waldraff. Er wünscht sich zudem Einblick in die Akten der Ermittler. „Nur so können wir nachvollziehen, was unternommen und was ermittelt worden ist“, erklärt der Jurist. Ein solches Entgegenkommen der Behörden sei in vergleichbaren Fällen durchaus üblich.
Annika Brill hatte am Abend des ersten Adventssonntags 2011 ihre Wohnung in der Kohlrauschstraße kurz verlassen, um an einem nahe gelegenen Kiosk eine Schachtel Zigaretten zu holen. Der Täter muss die junge Mutter beobachtet haben. Er lauerte ihr vor ihrer Wohnung auf und griff sie bei ihrer Rückkehr ohne Vorwarnung an. Anschließend gelang ihm die Flucht.
Aufgrund der Zeugenaussagen dreier junger Männer, die den Täter weglaufen sahen, fertigten Spezialisten eine Phantomzeichnung von Annika Brills Mörder an. Das Bild zeigt einen sportlichen jungen Mann. Er ist 25 bis 30 Jahre alt, etwa 1,80 Meter groß und Brillenträger. Er hatte damals blonde, kurze Haare und trug an dem Abend eine dunkle Kapuzenjacke. Die Ermittler stellten danach die Phantomzeichnung auf die Facebook-Seite der Polizei und erhielten in kürzester Zeit eine derartige Flut von Hinweisen, dass sie das Bild wieder aus dem Netz nehmen mussten.