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Was ist "Vigilantismus"?

Das Recht in den eigenen Händen.
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Salva
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Was ist "Vigilantismus"?

#1

Ungelesener Beitrag von Salva » Fr, 12. Jan. 2018, 18:06

► Begriffsbestimmung

Vigilantismus (lateinisch: vigilans= wachsam) bezeichnet die jenseits der staatlich zugelassenen Möglichkeiten erfolgende gewaltsame Erzwingung, Verhinderung oder Bestrafung eines unerwünschten Verhaltens anderer durch nicht-staatliche Akteure. Anhänger selbsternannter Bürgerwehren, die "das Recht in die eigenen Hände" nehmen, werden als Vigilanten bezeichnet.

Eine moderne Begehungsform ist die Denunziation vermeintlicher Straftäter im Internet (englisch: Internet Vigilantism) als eine radikale Form des Online- bzw. Cyberaktivismus.

Die Vigilanten fühlen sich in ihrem Terror durch politische Eliten gedeckt, besonders wenn die "Anhänger einer Gegenbewegung" von den Eliten als "Sympathisanten" denunziert werden. Mitunter werden Vigilanten auch seitens der Regierung oder gesellschaftlicher Eliten nicht nur geduldet, sondern auch mit Informationen, Unterkünften und Waffen versorgt, um sich nicht selbst die Hände schmutzig zu machen (Pontius-Pilatus-Syndrom). Im Unterschied zur allgemeinen Gewaltkriminalität ist Vigilantismus jedoch nicht durch eigennützige Motive wie Habgier geprägt, sondern nimmt für sich die normative Steuerung des Verhaltens anderer in Anspruch und die Verteidigung oder Wiederherstellung von "Recht und Ordnung". So töteten Vigilanten z.B. in Kolumbien vor allem Bettler, Prostituierte und Homosexuelle.

► Typologie

Vigilantismus steht in einem spezifischen Spannungsverhältnis zum Gewaltmonopol des Staates. Insofern lassen sich drei Idealtypen von Vigilantismus unterscheiden:

• Handeln an Stelle des Staates:
Die Vigilanten handeln stellvertretend für eine Staatsmacht, die aus unterschiedlichen Gründen nicht präsent ist. Das Handeln wird als Verteidigungsmaßnahme und Schutz eigener Rechtsgüter legitimiert. Es tritt temporär an die Stelle einer eigentlich erwünschten staatlichen Ordnung. Ein historisches Beispiel ist das San Francisco Committee of Vigilance von 1851.

• Handeln als der bessere Staat:
Die Akteure richten sich gegen die konkrete staatliche Rechtsetzung und Praxis des Strafens, die als "nicht hart genug" empfunden wird und deshalb "erweitert" werden soll. Das staatliche Gewaltmonopol wird offensiv gebrochen, um eigenmächtig Verhaltensweisen zu sanktionieren, die der Staat toleriert, insbesondere kulturelle Devianz wie Homosexualität oder Abtreibung. Das Handeln hat Signalfunktion. Es dient zumeist der Herstellung "wahrer" oder "höherer" Gerechtigkeit und soll die rechtspolitische Debatte beeinflussen.

• Handeln jenseits des Staates:
Es soll gewaltsam eine andere als die staatliche Ordnung errichtet werden. Die bestehende Ordnung wird als illegitim abgelehnt, soll jedoch nicht notwendig in Gänze abgeschafft werden. Die Vigilanten verfügen über einen hohen Organisationsgrad, etwa in Gestalt von bewaffneten Milizen und Banden, die sich auf die Kontrolle bestimmter Landesteile beschränken können, um dort einen eigenen Rechtsraum zu etablieren. Ein Beispiel ist der Islamische Staat (IS).


► Formen von Vigilantismus

Folgende Handlungen können dem Vigilantismus direkt oder indirekt zugeordnet werden:

• Selbstjustiz

Selbstjustiz bezeichnet die gesetzlich nicht zulässige Vergeltung für erlittenes Unrecht, die ein Betroffener im eigenen Namen selbst übt und ist demnach eine direkte Form des Vigilantismus.
Beispiel: Marianne Bachmeier erschoss 1981 den mutmaßlichen Mörder ihrer Tochter im Gerichtssaal.
Die Selbstjustiz ist einzelfallbezogen und wird von dem Betroffenen selbst ausgeübt.
Zur Rechtfertigung für einen Akt der Selbstjustiz wird meist angeführt, die staatliche Justiz versage. Sie sei unfähig oder auch unwillig, gegen die als Unrecht empfundene Handlung vorzugehen. Die Selbstjustiz missachtet das Gewaltmonopol des Staates und ist deshalb strafbar.

• Lynchjustiz

Lynchjustiz ist die eigenmächtige, illegale Exekution tatsächlicher oder vermeintlicher Verbrecher oder unliebsamer Personen ohne anerkanntes richterliches Verfahren.
Eine Volksmenge, die durch einen Agitator aufgestachelt wird, bezeichnet man als Lynchmob.
Aus Südamerika, Afrika und aus vielen östlichen Ländern werden Fälle von Lynchjustiz sehr häufig bei uns bekannt. Zu beobachten ist dabei, dass sich in manchen Fällen staatliche Ordnungsorgane (z.B. Polizei) an Lynchmorden direkt beteiligen oder trotz Kenntnisnahme nicht einschreiten bzw. ein intervenieren sogar verhindern.
Ein Beispiel aus Nairobi/ Kenia: Lynchjustiz nach Massaker in Kenia: 17-Jähriger tötet Mitschüler – und wird verbrannt (Kölnische Rundschau).
Ein unglaublicher Fall von Lynchjustiz aus dem Jahr 2015: Guatemala "Es war die gesamte Stadt" (Stern).

• Blutrache
"Bruch für Bruch, Auge für Auge, Zahn für Zahn. Der Schaden, den er einem Menschen zugefügt hat, soll ihm zugefügt werden."
(Bibelstelle Lev 24,20 EU)

Die Blutrache ist ein Prinzip zur Sühnung von Verbrechen, bei dem Tötungen oder andere Ehrverletzungen durch Tötungen gerächt werden. Sie stellt die Ultima Ratio der Konfliktbewältigung innerhalb der Fehde dar.

Hierbei straft die Familie des Opfers den Täter und seine Familie oftmals auch aus der Absicht heraus, die vermeintlich verlorene Familienehre wiederherzustellen. Unter Familie ist dabei mancherorts nicht nur die biologische Verwandtschaft zu verstehen, sondern auch ein Clan oder eine Verbrecherbande. Ein Ausgestoßener, für den sein Clan keine Blutrache üben würde, ist in diesem System schutzlos.

• Ehrenmord

Siehe dazu unser Forum "Im Namen der Ehre".
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