Schon Mitglied bei Allcrime?
Werde jetzt Teil unserer Community und du kannst auf unserer kostenlosen und werbefreien Kriminalplattform u.a. Themen erstellen, Beiträge verfassen, chatten, dich privat mit anderen Mitgliedern austauschen sowie alle Board-Funktionen nutzen. [Mitglied werden]

Blut. Oder doch ein Mensch?

DNA- und Textilanalytik, Humanspuren und Bodenuntersuchungen.
Benutzeravatar
Diskussionsleitung
Salva
Administrator
Administrator
Beiträge zum Thema: 3
Reaktionen: 519
Beiträge: 7783
Registriert: 05.08.2014
Geschlecht:
Wohnort: Cadolzburg
Alter: 57
Status: Offline

Blut. Oder doch ein Mensch?

#1

Ungelesener Beitrag von Salva » Sa, 24. Jan. 2015, 22:50

Der Fall Erich von der Leyen und die Unfehlbarkeit der Gerichtsmediziner

Bild

Ein halbes Jahrhundert nachdem der deutsche Serologe Paul Uhlenhuth ein noch heute gängiges Verfahren zur Unterscheidung von Menschen- und Tierblut entwickelt hatte, zog der Gerichtsmediziner Professor Dr. med. Kurt Böhmer eine fleckige graue Cordhose über den Labortisch. In den Flecken entdeckte er: "Menschenblut."
Gegen den Hosenträger erließ das Amtsgericht Düsseldorf Haftbefehl. Der Vertreter Erich von der Leyen stand unter Verdacht des Mordes - begangen in der Nacht vom 7. auf den 8. Februar 1956 an dem Liebespaar Hildegard Wassing und Peter Falkenberg.
Der gelernte Landwirt konnte für die Tatzeit kein einwandfreies Alibi beibringen. Zudem kam der Polizei Klatsch zu Ohren, von der Leyen sei einst mit einer Mistgabel auf spielende Kinder losgegangen - nichts Handgreifliches. Das Hosen-Indiz aber schien verhängnisvoll für von der Leyen. Denn sowohl an seiner Hose als auch auf den Sitzen seines Volkswagens klebten Reste, die laut Professor Böhmer Menschenblut der Gruppe B darstellten. Blut der Gruppe B hatte der ermordete Peter Falkenberg gehabt.
Leyen bestritt die Tat von vornherein. Er gab bei der polizeilichen Vernehmung zu bedenken, das Blut auf Hose und Autoschonbezügen könne allenfalls von der läufigen Dackelhündin seiner Freundin stammen, die er vier Tage nach dem Mord spazierengefahren habe.
So wagte die Polizei eine Rückfrage bei dem als temperamentvoll geltenden Professor Böhmer, Direktor des Instituts für Gerichtliche Medizin an der Medizinischen Akademie Düsseldorf. Böhmer: Menschenblut. Von der Leyen: Dackelblut.
In dieser Situation entschloß sich der Leiter der Düsseldorfer Kripo, Dr. Bernhard Wehner, zu einem ungewöhnlichen Schritt. Er bat den damaligen Leiter der Biologischen Abteilung des Bundeskriminalamtes (BKA) in Wiesbaden, Dr. Otto Martin, um eine Überprüfung des Böhmer-Befundes.
Was dann geschah, schildert der Erfolgs-Autor Jürgen Thorwald ("Das Jahrhundert der Chirurgen") in seinem jüngsten Buch "Die Stunde der Detektive"*, das dieser Tage erscheint: "Am späten Abend des 9. März klingelte bei Wehner das Telephon. Aus Wiesbaden meldete sich Martin: Bei dem Blut an der Hose von der Leyens handele es sich unter gar keinen Umständen um Menschenblut. Es sei Hundeblut, das außerdem mit Scheidenepithelien vermischt sei und von einem läufigen Tier stammen konnte."
Nach 16tägiger Untersuchungshaft wurde von der Leyen entlassen. Was ihn hinter Gitter gebracht hatte, war ein laut Thorwald schwerwiegender Irrtum" des zeitweiligen Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Gerichtliche und Soziale Medizin Dr. med. Böhmer. Diesen Irrtum breitet Thorwald, der einst die altersbedingten Skalpell -Schnitzer des Chirurgen Ferdinand Sauerbruch enthüllte ("Die Entlassung"), jetzt mit Akribie aus - sieben Jahre nach dem Tode Böhmers, und zehn Jahre nach dem Vorkommnis.
Damals bestätigte Böhmers Institut nur in einer "etwas verklausulierten Mitteilung" (Thorwald) seinen Irrtum: Ursache der Fehlleistung sei eine offensichtlich falsche Reaktion des Serums gewesen, das man bei der Blutartbestimmung gemäß der sogenannten Uhlenhuthschen Präzipitinreaktion verwandt habe.
Eben dieses Serum hatte auch BKA -Biologe Martin verwendet, und er war zu einem richtigen Untersuchungsergebnis gelangt. Thorwald weist darauf hin, daß es seit Uhlenhuths Tagen eine Kontrollvorschrift gibt, wonach es "jedem serologischen Untersucher zur Pflicht gemacht ist, jedes Serum vor seiner Anwendung nochmals auf seine Spezifität zu prüfen". Das hatte Böhmer offensichtlich nicht getan, denn "für denjenigen, der diesen Regeln entsprechend arbeitete, konnte es keine Irrtümer durch unzulängliche Seren geben".
Drei Tage nach von der Leyens Freilassung äußerte sich Gerichtsmediziner Böhmer in einem Brief an einen Heidelberger Kollegen zu einem anderen Kriminalfall. In dem Schreiben, das Thorwald "einen undiskutablen Schlußpunkt unter eine undiskutable Affäre" nennt, vermerkte der Professor unter anderem: Er fürchte, das Ansehen der gerichtlichen Medizin werde nicht dadurch gefördert, wenn in der Presse die Meinung vertreten werde, daß ein Professor in gerichtsmedizinischen Dingen "überhaupt nachprüfbar" sei.
Böhmer: "Denn wenn man dies zugibt, dann muß man von vornherein zugeben, daß einem Ordinarius der gerichtlichen Medizin Fehler unterlaufen können, die der Nachprüfung zugänglich sein können. Ich bin aber der Ansicht, daß dies bei uns gar nicht der Fall sein kann..."

Quelle: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46414174.html
0



Benutzeravatar
Diskussionsleitung
Salva
Administrator
Administrator
Beiträge zum Thema: 3
Reaktionen: 519
Beiträge: 7783
Registriert: 05.08.2014
Geschlecht:
Wohnort: Cadolzburg
Alter: 57
Status: Offline

Re: Blut. Oder doch ein Mensch?

#2

Ungelesener Beitrag von Salva » Sa, 24. Jan. 2015, 22:57

Auszug aus Wikipedia:

... Jedoch bestätigte Böhmer auf Nachfrage ausdrücklich, dass die sichergestellten Blutspuren auf den Schonbezügen von Menschen stammten und der Blutgruppe A und B zugeordnet werden konnten. Von der Leyen selbst hatte die Blutgruppe A2 und schied damit als Verursacher aus, allerdings hatte das Opfer Peter Falkenberg Blutgruppe B gehabt. Von ihm konnten somit die Blutspuren stammen. Auch zu den Opfern eines weiteren Liebespaarmordes im Herbst des Vorjahres passten die ermittelten Blutgruppen. Erich von der Leyen leugnete aber weiterhin jede Tatbeteiligung.

An dieser Stelle beschaffte der ermittelnde Kriminaldirektor Wehner Dackelblut und ließ es vom Gerichtsmedizinischen Institut untersuchen. Dieses meldete zurück, dass die vorgeblich menschliche Blutprobe wohl verunreinigt sei und man für die Untersuchung eine weitere abnehmen solle. Wehner erkannte so die Fehleranfälligkeit der Untersuchungsverfahrens, mit dem es offenbar nicht möglich war, Dackel- und Menschenblut zu unterscheiden, und forderte das Institut zur sofortigen Herausgabe aller Proben auf, was dieses ablehnte. Erst nach längerem juristischem Tauziehen kam die Herausgabe zustande. Die mit der erneuten Prüfung beauftragte Biologische Abteilung des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden unter der Leitung von Otto Martin[3][4] erklärte das Blut schon anhand der offensichtlichen glykogenhaltigen Epithelzellen zum Menstrualblut. Weitere Untersuchungen zeigten sehr schnell, dass es sich um Hundeblut handelte. Dass dieses auch Blutgruppen aufweist, ist zwar richtig, aber für diesen Fall völlig bedeutungslos.

Erich von der Leyen wurde frei gelassen. Das Institut von Böhmer reagierte jedoch hochgradig verärgert. Genau wie im Kälberstrickfall wurde jede Verantwortung zurückgewiesen und das Überprüfen gerichtsmedizinischer Entscheidungen der Professoren strikt abgelehnt. Böhmer ließ sogar schriftlich bezüglich der Überprüfung der Analyse seines Instituts mitteilen „Denn wenn man dies zugibt, dann muss man von vornherein zugeben, dass einem Ordinarius für gerichtliche Medizin Fehler unterlaufen können, die der Nachprüfung zugänglich sein könnten. Ich bin aber der Ansicht, dass dies bei uns gar nicht der Fall sein kann und dass man daher das Ansinnen, einem Ordinarius der gerichtlichen Medizin nachzuweisen, dass er sich geirrt habe, zurückweisen müsste“.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Mord_an_Pe ... rd_Wassing
0

Benutzeravatar
pfiffi
Level 3
Level 3
Beiträge zum Thema: 2
Reaktionen: 19
Beiträge: 515
Registriert: 25.01.2015
Geschlecht:
Wohnort: Hamburg
Alter: 55
Status: Offline

Re: Blut. Oder doch ein Mensch?

#3

Ungelesener Beitrag von pfiffi » Di, 27. Jan. 2015, 00:18

Und wieder einmal sehen wir: Nicht nur Zeugen, auch dem ach so wissenschaftlichen Beweis muss man misstrauen.

Hiermit verbunden der fast noch berühmtere "Kälberstrickrfall":

http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Hetzel
0

Benutzeravatar
pfiffi
Level 3
Level 3
Beiträge zum Thema: 2
Reaktionen: 19
Beiträge: 515
Registriert: 25.01.2015
Geschlecht:
Wohnort: Hamburg
Alter: 55
Status: Offline

Re: Blut. Oder doch ein Mensch?

#4

Ungelesener Beitrag von pfiffi » Di, 27. Jan. 2015, 00:54

Der Kälberstrickfall ist hier vom Admin auch schon ins Spiel gebracht worden - sorry:
viewtopic.php?f=7&t=178
0

Benutzeravatar
Diskussionsleitung
Salva
Administrator
Administrator
Beiträge zum Thema: 3
Reaktionen: 519
Beiträge: 7783
Registriert: 05.08.2014
Geschlecht:
Wohnort: Cadolzburg
Alter: 57
Status: Offline

Re: Blut. Oder doch ein Mensch?

#5

Ungelesener Beitrag von Salva » Mi, 28. Jan. 2015, 21:15

pfiffi hat geschrieben:Der Kälberstrickfall ist hier vom Admin auch schon ins Spiel gebracht worden - sorry:
viewtopic.php?f=7&t=178
Der wäre ein Thread wert ;)
0

Antworten <>

Zurück zu „Biologische Analytik“

Wer ist online?

0 Mitglieder | 3 Gäste