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Methoden der forensischen Handschriftenanalyse

Echtheit oder Unechtheit von Unterschriften, Schrifturheberschaft.
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Hank
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Methoden der forensischen Handschriftenanalyse

#1

Ungelesener Beitrag von Hank » Mo, 21. Nov. 2016, 17:39

Moin,

Teil 3:
Methode der forensischen Handschriftenuntersuchung

Die forensische Handschriftenuntersuchung prüft die Echtheit handschriftlicher Dokumente. Eine schriftvergleichende Untersuchung wird dann in Auftrag gegeben, wenn die Echtheit einer Unterschrift oder eines Testamentes angezweifelt wird. Auftraggeber sind Richter, Anwälte, Staatsanwälte oder auch Firmen sowie private Personen.

Durch Schriftvergleichung wird außerdem geprüft, ob ein Anonymschreiben mit einem beleidigenden Inhalt oder ein Erpresserbrief von einem Beschuldigten oder einem Angeklagten stammt. Ein forensisches Schriftgutachten dient in dem Fall dem Nachweis einer Straftat.

Vor einer schriftvergleichenden Untersuchung muss das Untersuchungsmaterial beschafft werden.[1][2] Bei dem Untersuchungsmaterial wird unterschieden zwischen den fraglichen Schriften, die im Allgemeinen X genannt werden, und den Vergleichsschriften, die meist mit V bezeichnet werden. Die zu prüfenden Schriften X müssen für eine Schriftvergleichung in der Regel im Original vorliegen.[3] Außerdem ist umfangreiches Vergleichsmaterial V erforderlich. Auch die meisten Vergleichsschriftproben V sollten für die Untersuchung im Original vorliegen. Zusätzlich kann das Vergleichsmaterial V auch einige Fotokopien oder Durchschriften beinhalten. Die Auftraggeber erhalten die Originalschriften X und V später wieder unbeschädigt zurück. Es gibt Listen mit Fundstellen von Untersuchungsmaterial.

Die forensische Handschriftenuntersuchung hat eine spezifische Methode, die im Aufbau eines Gutachtens sichtbar wird. Gutachten von Schriftsachverständigen sollten methodisch so aufgebaut sein, dass die Aspekte „Auftrag“, „Methode der Untersuchung“, „das Untersuchungsmaterial“, „Materialkritik“, „Befunde der physikalisch-technischen Untersuchung“, „Befunde der schriftvergleichenden Untersuchung“, „Befundbewertung“ sowie „Ergebnis der Untersuchung“ behandelt werden.[4]

Im schriftlichen Gutachten für ein Gericht ist es sinnvoll, den Beweisbeschluss in die Formulierung des Auftrages aufzunehmen: Beispiel: „Es soll Beweis erhoben werden über die Behauptung des Klägers, der Beklagte habe den streitgegenständlichen Vertrag unterschrieben. Es soll untersucht werden, ob die in Frage stehende Unterschrift X von dem Namenseigner stammt oder eine Fälschung ist.“

Bei der Begutachtung können Anknüpfungstatsachen wichtig sein. Anknüpfungstatsachen sind Aussagen der Beteiligten, unter welchen Umständen eine fragliche Schreibleistung X entstanden sein soll. Wichtig sind vor allem Erkrankungen eines Erblassers bei Testamenten oder besondere Entstehungsbedingungen wie z. B. Alkoholeinfluss.

Eine eindeutige Beschreibung und Kennzeichnung des Untersuchungsmaterials ist notwendig. In einem Gutachten wird das Schriftmaterial aufgelistet, damit das der Untersuchung zugrunde liegende Material eindeutig identifiziert werden kann. Dabei werden die Entstehungszeit und die Frage berücksichtigt, ob ein Dokument im Original vorliegt. Es ist sinnvoll, von allen Schriften X und V Fotokopien als Anlagen zu einem Gutachten anzufertigen. Dadurch gewinnen der Sachverständige ebenso wie die Empfänger des Gutachtens eine vollständige Übersicht über das untersuchte Material. Außerdem ist auch bei einem Gerichtstermin das entsprechende Dokument schnell zur Hand.

Sachverständigengutachten müssen für den Laien nachvollziehbar und für den Fachmann nachprüfbar sein. Daher muss ein Gutachten auch Fotos bzw. Abbildungen mit den beweisrelevanten Befunden in entsprechender Vergrößerung beinhalten.

Nach der Auflistung des Untersuchungsmaterials wird eine Materialkritik durchgeführt. In der Materialkritik wird geprüft, wie geeignet das vorliegende Untersuchungsmaterial für die Durchführung der Untersuchung ist. Dabei wird eine Reihe von Aspekten behandelt: Liegen die zu prüfende Schrift X sowie genügend Vergleichsschriften V im Original vor? Ist der Umfang der Vergleichsschriften V ausreichend? Gibt es begründete Zweifel an der Authentizität einiger Vergleichsschriften V? Sind die Handschriften X und V in befriedigender zeitlicher Nähe entstanden? Sind die Schriften X und V in materialtechnischer Hinsicht vergleichbar? Wenn das Untersuchungsmaterial Mängel aufweist, so kann sich das auf das Ergebnis einer Untersuchung auswirken.
Physikalisch-technische Untersuchung

In der forensischen Handschriftenuntersuchung wird zunächst eine zerstörungsfreie physikalisch-technische Untersuchung durchgeführt. Hierbei wird geprüft, ob sich irgendwelche Spuren feststellen lassen, die auf eine Fälschung oder eine Verfälschung des zu prüfenden Dokumentes X hinweisen.[5][6][7][8]

Die physikalisch-technische Untersuchung beginnt mit einer Inspektion mit bloßem Auge und noch ohne besondere Hilfsmittel. Hier wird auf eventuelle Auffälligkeiten des Schriftträgers, des Schreibgerätes und des Schreibmittels geachtet. Es kann z. . Strichkreuzungen zwischen einer handschriftlichen Unterschrift und einem darüber befindlichen maschinenschriftlichen Text geben, die für eine relative Altersbestimmung genutzt werden können.

In der physikalisch-technischen Untersuchung werden dann spezifische Geräte eingesetzt:

Durch Untersuchungen im Stereomikroskop bei Auflicht, Durchlicht und Streiflicht mit unterschiedlichen Filtern und unterschiedlichen Vergrößerungen werden Pausspuren sowie Feinheiten in den Schriftmerkmalen beobachtbar.

Durch Reflexionsuntersuchungen und Lumineszenzuntersuchungen mit Licht unterschiedlicher Wellenlänge, bei Ultraviolettstrahlung und Infrarotstrahlung können Schreibmittelunterschiede festgestellt werden, durch die sich Verfälschungen von Urkunden nachweisen lassen.

Die Methode der elektrostatischen Oberflächenprüfung dient dazu, mit bloßem Auge nicht erkennbare Durchschreibspuren sichtbar zu machen, die sich von einem darüber liegenden Blatt auf den Schriftträger mit der Handschrift X durchgedrückt haben könnten.

Der Sachverständige für Handschriftenvergleichung wendet physikalisch-technische Untersuchungsverfahren in erster Linie an, um Pausfälschungen oder Verfälschungen von Urkunden nachzuweisen und um den Kontext zu eruieren, in dem eine fragliche Schreibleistung X entstanden ist. Schließlich werden durch physikalisch-technische Verfahren auch Beobachtungen von Feinheiten möglich, die in der nachfolgenden schriftvergleichenden Befunderhebung berücksichtigt werden.
Schriftvergleichende Befunderhebung

In der schriftvergleichenden Befunderhebung wird eine fragliche Schrift X mit einer Reihe von Vergleichsschriften V eines Schreibers verglichen. Dazu werden Schriftmerkmale erhoben und beobachtbare Befunde registriert.

Es ist sinnvoll, bei der schriftvergleichenden Befunderhebung die grafischen Grunddimensionen der Strichbeschaffenheit, der Druckgebung, des Bewegungsflusses, der Bewegungsführung und Formgebung, der Bewegungsrichtung, der vertikalen und horizontalen Ausdehnung, der vertikalen und horizontalen Flächengliederung und die Grunddimension der sonstigen Merkmalen zu behandeln.

Diese Grunddimensionen beinhalten allgemeine und besondere Merkmale. Die Messung dieser Schriftmerkmale erfolgt auf unterschiedlichem Skalenniveau. Für die Beurteilung der allgemeinen Merkmale gibt es Rangskalen.[9] Die besonderen Schriftmerkmale werden durch hinweisende Definitionen bestimmt, für die oft eine Nominalskala das angemessene Skalenniveau ist.[10][11][12]

Bei der schriftvergleichenden Befunderhebung werden die Schriften X und V vollständig und systematisch in allen grafischen Grunddimensionen untersucht. Die Schriftvergleichung darf nicht nur einzelne Übereinstimmungen oder Unterschiede berücksichtigen, da Schreiben ein komplexes Verhaltensmuster und eine korrekte Befundbewertung daher nur auf der Grundlage einer vollständigen Befunderhebung möglich ist.

Die schriftvergleichende Untersuchung beginnt mit der Erhebung der grafischen Befunde der fraglichen Handschrift X. Dann wird gefragt, ob diese Merkmale der Handschrift X innerhalb oder außerhalb der Variationsbreite der Vergleichsschriften V liegen. Liegt ein Merkmal der Handschrift X innerhalb der Variationsbreite der Vergleichsschriften V, so ist das eine Übereinstimmung. Lässt sich für ein Merkmal von X dagegen keine Entsprechung in V finden, so ist das eine Divergenz.

Auch Laien vergleichen manchmal einzelne Schriftstücke und stellen dabei Ähnlichkeiten oder Unterschiede fest. Daher ist das Grundprinzip der Schriftvergleichung auch für Laien im Allgemeinen gut verständlich.

Die wissenschaftliche Schriftvergleichung unterscheidet sich von einem laienhaften Schriftvergleich durch die Kenntnis und die Messung von Schriftmerkmalen sowie durch die systematische Methode, die nach der Befunderhebung eine Befundbewertung vorsieht.
Befundbewertung

Nach der Befunderhebung folgt eine Befundbewertung. Bei der Befundbewertung wird gefragt, auf welche Weise eine fragliche Schreibleistung X entstanden sein kann. Dazu werden Hypothesen gebildet. Hypothesen sind Möglichkeiten, auf welche Weise die Handschrift X entstanden sein könnte.

Hypothesen sind Werkzeuge der Befundbewertung.[13] Die formulierten Hypothesen müssen alle Möglichkeiten der Entstehung der Schreibleistung X umfassen. Die Befunde werden unter den alternativen Hypothesen bewertet.[14][15][16][17]

Die Befundbewertung erfolgt durch ein definiertes Set von Bewertungsregeln. Sie berücksichtigt Anknüpfungstatsachen, Vorbedingungen und Erfahrungsregeln. Die Befundbewertung basiert auf der schriftvergleichenden Befunderhebung sowie auf den Ergebnissen der physikalisch-technischen Untersuchung. Bei der Bewertung der Befunde wird die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens und ihre Erklärbarkeit unter den verschiedenen Hypothesen der Fragestellung und der Entstehungsbedingungen geprüft.

Bei der Befundbewertung spielt neben anderen Argumenten auch das Kriterium der Komplexität der zu untersuchenden Schreibleistungen bzw. die Herstellungsschwierigkeit einer zu prüfenden Schreibleistung X eine Rolle.[18][19] Bei einer geringen Herstellungsschwierigkeit einer Schreibleistung X kann eine Untersuchung selbst dann nicht zu einem Ergebnis mit höchstem Wahrscheinlichkeitsgrad gelangen, wenn alle Merkmale der verglichenen Schriften X und V übereinstimmen.
Ergebnis der Untersuchung

Das Ergebnis einer schriftvergleichenden Untersuchung wird als Wahrscheinlichkeitsaussage formuliert. Ein numerischer Wahrscheinlichkeitsgrad wird durch einen Hypothesenvergleich gewonnen.[20][21][22] Er beinhaltet die Schlussfolgerungen aller Hypothesen und wägt die Wahrscheinlichkeit aller Hypothesen gegeneinander ab. Ein numerischer Wahrscheinlichkeitsgrad soll die Gewichtung der alternativen Hypothesen veranschaulichen, indem das Verhältnis der Hypothesen auf 100 % bezogen wird.
Siehe auch: Komplexität von Handschriften
mfg

Hank
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