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Weiteres Wissenswerte

Echtheit oder Unechtheit von Unterschriften, Schrifturheberschaft.
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Hank
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Weiteres Wissenswerte

#1

Ungelesener Beitrag von Hank » Mo, 21. Nov. 2016, 17:46

Moin,

nun etwas zu den Erfordernissen, zur Ausbildung und zur internationalen Situation.

Teil 4:
Erfahrungswissenschaftliche Grundlagen

Die Arbeit eines Schriftsachverständigen ist immer mit großer Verantwortung verbunden. Es geht oft um existentielle Fragen. In Zivilverfahren kann es um viel Geld gehen; es kann sein, dass eine Zwangsvollstreckung eingeleitet oder ausgesetzt wird. Bei einer Unterschriftsfälschung oder einer Testamentsfälschung ist – anschließend an ein Zivilverfahren – mit einem Strafverfahren zu rechnen. Zeugen können wegen eidlicher oder uneidlicher Falschaussage verurteilt werden, wenn sie z. B. gesehen haben wollen, dass jemand eine Unterschrift geleistet hat, die sich dann als Fälschung herausstellt. Forensische Schriftgutachten sind öffentlich. In Zivilverfahren haben die beteiligten Parteien Gelegenheit, sich zu einem Gutachten zu äußern. Da ein Gutachten meist für eine Partei vorteilhaft und für die andere Partei unvorteilhaft ist, wird jedes Gutachten kritisch betrachtet. Es kann eine mündliche Anhörung des Sachverständigen beantragt werden. Schließlich haftet der Sachverständige für sein Gutachten. Aufgrund der hohen Verantwortung ist es unumgänglich, dass forensische Schriftgutachten auf beobachtbaren Befunden und erfahrungswissenschaftlichen Methoden beruhen.

In kriminalistischer Hinsicht ist ein handschriftliches Dokument zunächst einmal eine Spur, die mit kriminaltechnischen Verfahren untersucht wird. Ebenso wie bei anderen Spurenarten – z. B. Fingerabdrücke, Speichel, Blutspuren – stellen sich in der forensischen Praxis auch für Handschriften zunächst einmal die Aufgaben der Spurensuche und Spurensicherung. Pfefferli[23] gibt Hinweise für die Sicherstellung von Schriftstücken, für Hausdurchsuchungen, für die Erhebung von Ad-hoc-Schriftproben; das sind Maßnahmen, die bei den Straftatbeständen des Betruges und der Urkundenfälschung oder bei Erpresser- und Anonymschreiben wichtig sein können.

Die Verfahren der physikalisch-technischen Untersuchung von Handschriften haben empirische Grundlagen.

Neben physikalisch-technischen Verfahren sind auch psychologische Methoden in der Schriftvergleichung relevant. In der forensischen Handschriftenuntersuchung gibt es zwar keine Deutungen von Schriftmerkmalen. Es werden vielmehr nur beobachtbare Übereinstimmungen oder Unterschiede in den Schriftmerkmalen registriert.

In der forensischen Handschriftenuntersuchung ist nach der Befunderhebung aber eine Befundbewertung erforderlich. Diese sollte nach möglichst exakten wissenschaftlichen Methoden erfolgen. Dazu ist eine erfahrungswissenschaftliche Schriftpsychologie notwendig.
Berufsbild von Schriftsachverständigen

Schriftsachverständige erstellen forensische Schriftgutachten. Ein Sachverständigengutachten ist ein Beweismittel vor Gericht.

Schriftsachverständige sind dem Berufsbild der Sachverständigen zugeordnet. Sachverständige werden insbesondere in Gerichtsverfahren benötigt, um Sachverhalte klären zu können. Sachverständige gibt es für die unterschiedlichsten Fachgebiete – man denke z. B. an Kfz-Sachverständige und Bausachverständige, an Sachverständige für Betriebswirtschaft oder EDV, an Bewertungssachverständige für Grundstücke oder Kunst, Antiquitäten, Juwelen.

Es gibt ein Sachverständigenrecht, über das Bayerlein[24] eine Übersicht gibt. Über aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung informiert insbesondere die vom BVS (Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger e. V.) herausgegebene Zeitschrift „Der Sachverständige – Fachzeitschrift für Sachverständige, Kammern, Gerichte und Behörden“. Es gibt Sachverständigenpflichten und Sachverständige haften für ihre Arbeit.[25][26]

Für Zivilverfahren ist die Schriftvergleichung in §§ 441, 442 ZPO geregelt. Für ein forensisches Schriftgutachten muss geeignetes Schriftmaterial von den beteiligten Parteien vorgelegt werden. Über das Ergebnis einer Schriftvergleichung entscheidet das Gericht in freier Beweiswürdigung (Bayerlein §15, 117, 118).

In Strafverfahren gehört die Schriftvergleichung nach §93 StPO zu den Untersuchungen an Personen, weil hier personengebundene Ausdrucksmittel untersucht werden. Schriftproben können nach §94 StPO beschlagnahmt werden (Bayerlein §15, 158).

Schriftsachverständige sind einerseits bei Behörden tätig – wie den Landeskriminalämtern, dem Bundeskriminalamt, dem Zollkriminalinstitut. Andererseits gibt es freiberufliche Schriftsachverständige, die überwiegend als öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige tätig sind.
Ausbildung für Schriftsachverständige

Neben der Ausbildung bei dem Bundeskriminalamt, an der ausschließlich Behördensachverständige teilnehmen können, gibt es im Hochschulbereich das Institut für Schrift- und Urkundenuntersuchung, das der Universität Mannheim angegliedert ist und hauptsächlich (aber nicht nur) Psychologiestudenten zu Schriftsachverständigen ausbildet.[27]
Schriftpsychologie und Schriftvergleichung

In der Praxis werden die Begriffe „Graphologie“, „Schriftpsychologie“ und „Schriftvergleichung“ von Laien häufig verwechselt. Die 3 Begriffe lassen sich unterscheiden, es gibt aber ein spannungsgeladenes Verhältnis sowie auch Überschneidungen, so dass Begriffsklärungen notwendig sind.

Die praktische Arbeit eines Schriftsachverständigen unterscheidet sich von der praktischen Arbeit eines Graphologen. In der schriftpsychologischen Forschung gibt es zwar Berührungspunkte, die für beide Bereiche interessant sind.[31] Eine klare Unterscheidung zwischen Schriftvergleichung und Graphologie ist aber notwendig. Die forensische Handschriftenvergleichung hat andere Ziele und andere Methoden als die Graphologie:

Die Graphologie will aus dem Ausdruck der Handschrift Aspekte der Persönlichkeit des Schreibers erfassen. Dazu werden Handschriften gedeutet. Die Graphologie ist keine erfahrungswissenschaftlich fundierte Methode. Die Versuche einer schriftpsychologischen Validierung graphologischer Persönlichkeitsdiagnostik haben bisher zu unbefriedigenden Ergebnissen geführt.

Aufgabe der forensischen Handschriftenvergleichung ist eine Urheberidentifizierung. Die forensische Handschriftenvergleichung ist eine Erfahrungswissenschaft. Es gibt hier keine Deutungen, sondern nur beobachtbare Befunde und ein Set von Bewertungsregeln, das erfahrungswissenschaftlich begründet sein muss.

Die oben genannten Validitätsprobleme der Graphologie sind für die forensische Handschriftenvergleichung irrelevant, da es in der Schriftvergleichung keine Deutungen und keine persönlichkeitspsychologischen Interpretationen gibt. In forensischen Schriftvergleichsgutachten werden keine Aussagen zur Persönlichkeit eines Schreibers getroffen.

Das forensische Schriftvergleichsgutachten eines Schriftsachverständigen ist ein Beweismittel vor Gericht. In einem solchen forensischen Schriftgutachten darf es keine Deutungen oder Spekulationen geben. Die Aussagen eines Schriftsachverständigen müssen sich aus den beobachtbaren Befundtatsachen herleiten lassen. Und die Befundbewertung von Schriftsachverständigen muss anhand von Erfahrungsregeln erfolgen. Für die Befundbewertung ist sozialwissenschaftliche Forschung[32] und eine erfahrungswissenschaftliche Schriftpsychologie notwendig.

Der Begriff „Schriftpsychologie“ ist sowohl für die Graphologie als auch für die Schriftvergleichung relevant. Bereits 1984 hat sich Lothar Michel für eine Schriftpsychologie als Grundlagendisziplin ausgesprochen.[33]

Unter „Schriftpsychologie“ soll eine erfahrungswissenschaftliche Methode der Handschriftenuntersuchung verstanden werden.[34][35] Aufgabe einer solchen Schriftpsychologie ist die Erforschung der psychologischen, physiologischen, schreibtechnischen und sozialen Entstehungsbedingungen handschriftlicher Schreibleistungen mit empirischen Methoden.

Der Themenkreis und die Begriffe „Graphologie“, „Schriftpsychologie“ und „Schriftvergleichung“ sind im Kollegenkreis und in der Fachliteratur ausführlich diskutiert worden; sie werden u. a. in den Fachbüchern von Michel,[36] Hecker[37] und Seibt[38] behandelt. Es dürfte sich ein Konsens dahingehend erzielen lassen, dass einerseits eine Abgrenzung zur Graphologie und andererseits eine Erforschung der Entstehungsbedingungen der Schreibhandlung und des Schreibverhaltens mit erfahrungswissenschaftlichen Methoden der Psychologie notwendig ist.
Die internationale Situation
Im englischsprachigen Raum wird Schriftvergleichung als Questioned document examination bezeichnet. Wie auch die Veröffentlichungen bei Hecker 1993 zeigen, gehört eine Abgrenzung zur Graphologie zu den ersten und wichtigsten Statements, um die erfahrungswissenschaftliche Grundlage der Schriftvergleichung zu betonen. Im internationalen Raum fehlt der Begriff „Schriftpsychologie“. Die Verfahren der physikalisch-technischen Untersuchung sind international.
Quelle: Wikipedia

mfg

Hank
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