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von Eagle
Do, 24. Mär. 2016, 14:55
Forum: Justizirrtümer und -skandale
Thema: Falsche Freisprüche - Der Mordfall Frederike von Möhlmann
Antworten: 21
Zugriffe: 8598

Re: Der Fall Frederike von Möhlmann

Das Oberlandesgericht Celle verhandelt nun die Schadensersatzklage von Hans von Möhlmann, das Urteil wird im April 2016 erwartet.
Mittwoch, 23.03.2016 – 20:07 Uhr
Bild nicht mehr vorhandenHans von Möhlmann mit seinem Anwalt Wolfram Schädler
Jetzt halten es schon zwei Zivilgerichte für unstrittig, dass Ismet H. 1981 die 17 Jahre alte Schülerin Frederike von Möhlmann vergewaltigt und anschließend getötet hat. Ein Erfolg für den Vater des Opfers, Hans von Möhlmann?
(...)Eine Zivilklage auf Schadensersatz, die der Vater vor dem Landgericht Lüneburg anstrengte, schien der einzige Weg zu einer vom Gesetz nicht vorgesehenen Wiederaufnahme eines Strafprozesses gegen den rechtskräftig freigesprochenen Angeklagten zu sein. Doch die Klage blieb erfolglos, denn die zivilrechtlichen Ansprüche waren nach 30 Jahren verjährt. Möhlmann legte dagegen Rechtsmittel ein. Sein Argument: Da er bis 2013 den Täter nicht gekannt habe, habe er keine Chance gehabt, Schäden wegen körperlicher und seelischer Beeinträchtigung geltend zu machen (...)
(...)Möhlmann legte dagegen Rechtsmittel ein. Sein Argument: Da er bis 2013 den Täter nicht gekannt habe, habe er keine Chance gehabt, Schäden wegen körperlicher und seelischer Beeinträchtigung geltend zu machen (...).
Nun verhandelte das Oberlandesgericht Celle den Fall, der dem Laien so klar zu sein scheint, den Juristen aber schier unlösbar. Dem 5. Zivilsenat mit dem Vorsitzenden Richter Becker war der Unmut anzusehen, mit dem er die Sache behandelte (...).
So stellte der Senat gleich zu Beginn der Sitzung klar, dass der Tod eines Kindes keineswegs für einen "eigenen Anspruch" des Klägers auf Schadensersatz ausreiche. Es sei denn, der Kläger könne eine "besondere Beeinträchtigung" nachweisen. Der Vorsitzende: "Dass er zum Beispiel durch die Nachricht und das ganze Drumherum, wie man heute zu sagen pflegt, besonders traumatisiert wurde."(...)
(...) Möhlmanns heutiger Anwalt Schädler sagt: "Herr von Möhlmann hatte damals nicht die Möglichkeit, sagen wir mal: sich zivilrechtlich in Szene zu setzen. Es war für ihn nicht realistisch zu sagen, er wolle nun Schmerzensgeld für den Aufenthalt in der Psychiatrie. Bedenken Sie seine subjektive Sicht!" Die ist nicht gerade Sache des Senats. Der Vorsitzende: "Aber dann hatte er drei Jahre Zeit, in denen er eine zivilrechtliche Klage hätte erheben können!"
Resultat dieses Gerichtstages: Der Vater ist tief enttäuscht. Soll er weiterkämpfen? Oder aufgeben? Das Recht erreicht die ihm Unterworfenen nicht immer. Der Fall Möhlmann ist dafür ein Paradebeispiel. Am 14. April will der Senat seine Entscheidung verkünden. Überraschend wird sie kaum ausfallen.
Spiegel
von Eagle
Mi, 9. Sep. 2015, 16:20
Forum: Justizirrtümer und -skandale
Thema: Falsche Freisprüche - Der Mordfall Frederike von Möhlmann
Antworten: 21
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Re: Hambühren: Der Fall Fredericke 1981

Vater eines Mordopfers: Der lange Kampf des Hans von Möhlmann

Von Gisela Friedrichsen, Lüneburg

Frederike von Möhlmann wurde vor 34 Jahren ermordet. Neue DNA-Spuren belasten den mutmaßlichen Täter - doch sein damaliger Freispruch verhindert einen neuen Prozess. Der Vater des Opfers hofft nun auf einen juristischen Umweg.

Der wohl steinigste und verschlungenste Weg überhaupt, der überdies auch noch teuer werden kann, ist der des Rechts. Diesen Weg zu beschreiten, einen Leidensweg, hat sich der 72-jährige Hans von Möhlmann entschlossen, dessen Tochter Frederike in der Nacht vom 4. November 1981 im Alter von 17 Jahren von einem Unbekannten vergewaltigt und ermordet wurde.

Jüngste Station auf diesem Weg: die Verhandlung vor der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg mit der Vorsitzenden Richterin Esther Pfister. In dieser Sitzung ging es nicht um das sogenannte gute Recht eines Angehörigen, der verlangt, dass sich der mutmaßliche Mörder seines Kindes endlich vor Gericht zu verantworten habe. Es ging auch nicht um die Frage, ob es sein kann, dass ein so gut wie überführter Mörder straflos davonkommt. Sondern es wurde über eine Verjährungsfrist gestritten, die die Tür öffnen könnte zu einer Wiederaufnahme des Falls - zuungunsten des mutmaßlichen Täters. Diese Frist aber ist verstrichen.

Damals, vor 34 Jahren, war der Verdacht auf den 22 Jahre alten türkischen Einwanderer Ismet H. gefallen, der 1982 vom Landgericht Lüneburg wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Doch nach erfolgreicher Revision sprach eine Kammer des Landgerichts Stade H. frei. Und dieser Freispruch wurde rechtskräftig.

Heute aber "ist der Staat schlauer geworden", wie sich Möhlmanns Anwalt Wolfram Schädler ausdrückte. Denn was weder die Staatsanwaltschaften noch die Richter in den achtziger Jahren wussten, liegt, als Beweismittel vom Bundesgerichtshof anerkannt, inzwischen auf dem Tisch: die DNA Ismets H.s an einer Binde des jungen Mädchens, die exakt die gleichen Merkmale aufweist wie eine Haarprobe des Verdächtigen.

Nur wenn er gesteht, droht ein neuer Prozess

Zusammen mit weiteren Verdachtsmomenten wie Reifenspuren am Tatort, einem Waldgebiet in der Nähe von Hambühren, und Fasern an Frederikes Oberbekleidung und Unterwäsche, die in vielen Merkmalen mit Textilien in H.s Auto übereinstimmten, dürfte mittlerweile kaum noch ein Zweifel an seiner Täterschaft bestehen. Außerdem hatte der Mann kein Alibi für die Tatzeit.

Die Wiederaufnahme zulasten eines Freigesprochenen aber ist, mit seltenen Ausnahmen, schier ein Ding der Unmöglichkeit, allein deshalb, weil der freigesprochene mutmaßliche Täter vom Gesetz weitreichend geschützt ist. So darf die Staatsanwaltschaft H. nicht zu einer neuerlichen Vernehmung laden. Neue Beweismittel wie bei der Wiederaufnahme zugunsten eines Verurteilten reichen für eine Wiederaufnahme gegen einen Freigesprochenen nicht aus. H. könnte nur ein neuer Prozess gemacht werden, wenn er gesteht - eine Kuriosität im Strafrecht.

Frederikes Vater peinigte jahrzehntelang die Ungewissheit, wer sein Kind, das sich verzweifelt gewehrt haben musste, grausam ermordet hat. Für diese Qualen verlangt er von H. auf dem Weg des Zivilrechts Schmerzensgeld in Höhe von 7000 Euro. Doch auf Geld kommt es dem Vater nicht an. Er will die Täterschaft H.s festgestellt wissen, und sei es von einem Zivilgericht, was wiederum Grundlage einer Klage vor einem Strafgericht sein könnte.

Mord verjährt nicht, Anspruch auf Schmerzensgeld schon

Nach dem Gesetz verjährt zwar das Delikt, Mord, nicht. Ansprüche auf Schmerzensgeld hingegen verjähren nach 30 Jahren - "ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis", wie es in Paragraph 199 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs heißt. Warum das so ist, darauf gibt der Gesetzgeber keine Antwort. Wahrscheinlich wurde eine atypische Fallgestaltung wie in Sachen von Möhlmann einfach übersehen.

Anwalt Schädler hält die Regelung für verfassungswidrig. Sein Mandant sei innerhalb der 30-Jahre-Frist nicht imstande gewesen, Schmerzensgeldansprüche gegen H. geltend zu machen, da er ja nicht gewusst habe, wer seine Tochter nun tatsächlich getötet hat. "Hätte er diesen Anspruch etwa anlässlich des Freispruchs von H. in Stade erheben sollen?" fragte Schädler das Gericht.

Die drei Richterinnen gingen darüber mit der Feststellung hinweg, es liege eine "absolute Verjährung" vor. Schädler hielt dagegen: "Eine Verjährungsregelung muss einen angemessenen Ausgleich der Interessen von Schuldner und Gläubiger darstellen. Dazu gehört, dass der Gläubiger eine faire Chance haben muss, seinen Anspruch geltend zu machen." Der Beklagte H. habe zudem durch "wahrheitswidriges Bestreiten seiner Täterschaft" das Verstreichen der Verjährungsfrist mit verursacht.

Die Richterin warnt

Die Lüneburger Zivilkammer zeigte sich für die Argumentation des Opfers und seines Anwalts nicht aufgeschlossen. Auch auf die Anregung Schädlers, eine Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht anzustrengen, ging das Gericht nicht ein. Das allerdings ist nicht verwunderlich; die wenigsten Richter trauen sich einen solchen Schritt zu.

Was bleibt, wenn es wie absehbar zu einem ablehnenden Urteil kommt? Von Möhlmann kann Rechtsmittel einlegen. Dann würde der Fall beim Oberlandesgericht Celle landen. Wenn dieses, etwa wegen der Bedeutung der Rechtsfrage, eine Revision zuließe, hätte der Bundesgerichtshof darüber zu befinden. "Wie sieht das mit einer Rechtsschutzversicherung bei Ihnen aus?" fragte die Lüneburger Vorsitzende besorgt. "Oder wenn eine anderes Gericht die Verjährung feststellt? Sie blieben auf den Kosten sitzen! Sie wären Schuldner im zivilrechtlichen Sinn! Es gibt zwar gute Gründe, Rechtsmittel einzulegen. Aber das wird ein weiter Weg sein", warnte sie.

Eine Entscheidung wird das Gericht nach weiteren Beratungen am 9. September verkünden.

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/m ... 48901.html
von Eagle
Mi, 9. Sep. 2015, 16:14
Forum: Justizirrtümer und -skandale
Thema: Falsche Freisprüche - Der Mordfall Frederike von Möhlmann
Antworten: 21
Zugriffe: 8598

Hambühren: Der Fall Fredericke 1981

Fall Frederike
Keine Entschädigung für Mord an Tochter

Seit mehr als drei Jahrzehnten ist der Mord an Frederike ungesühnt. Der Vater hat jetzt Hoffnungen in eine Zivilklage gelegt – und wurde wieder enttäuscht.

09.09.2015
Mordfall Frederike
Bild© dpa
Hans von Möhlmann zeigt ein Foto seiner ermordeten Tochter.

Hans von Möhlmann will Gerechtigkeit, doch Recht hat er jetzt nicht bekommen.

Seine Tochter Frederike wurde 1981 im niedersächsischen Hambühren ermordet, ein Tatverdächtiger zwei Jahre später aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Zwar konnten Experten des Landeskriminalamtes 2012 mit neuen Methoden DNA-Spuren sichern, die den schon damals verdächtigen Mann schwer belasten. Aber nach dem Freispruch wäre ein neuer Prozess nur möglich, sofern der heute 56 Jahre alte Mann die Tat gesteht. Strafrechtlich blieb die Tat ungesühnt, nun ist der Vater auch zivilrechtlich gescheitert.

„Für mich ist es nicht zumutbar, dass er frei herumläuft“, sagt von Möhlmann. Er hatte deshalb eine Zivilklage angestrengt: Er forderte vor dem Landgericht Lüneburg für die erlittenen Leiden 7000 Euro Schmerzensgeld – vergeblich.

„Die Klage ist abgewiesen“, heißt es bei einem Verkündungstermin am Mittwoch kurz. Die Ansprüche seien verjährt, begründet die Kammer ihre Entscheidung. Die vorgesehene Höchstfrist von 30 Jahren ist verstrichen. Die Prozessbeteiligten sind zu dem Termin in dem nüchternen Büro nicht erschienen, er dauert auch nur wenige Minuten. Von Möhlmann muss die Kosten des Verfahrens tragen.
Vergewaltigt und erstochen

„Wir werden den Eingang des schriftlichen Urteils abwarten und die Urteilsgründe sorgfältig prüfen“, hatte von Möhlmanns Anwalt Wolfram Schädler am Tag zuvor mitgeteilt. „Wir meinen aber bereits jetzt, dass die Frage, ob der Anspruch von Herrn von Möhlmann verjährt ist, obergerichtlich entschieden werden sollte.“ Weder Schädler noch Frederikes Vater wollen am Mittwoch weitere Erklärungen abgeben. Das Gericht hatte schon im August signalisiert, dass die Klage kaum Aussicht auf Erfolg haben dürfte. „Mein Mandant hatte nie die Gelegenheit, seinen Anspruch zu stellen, bevor er verjährt war“, hat Schädler argumentiert, der Täter sei ihm ja nicht bekannt gewesen.

Von Möhlmann wollte mit der Zivilklage auf den Tod seiner Tochter aufmerksam machen. Frederike war am 4. November 1981 vergewaltigt und erstochen worden. Auf dem Heimweg von einer Chorprobe war sie als Anhalterin in ein Auto gestiegen. Der frühere Sozialarbeiter kämpft mit seinem Anwalt für eine Wiederaufnahme, er hat eine Petition für eine Gesetzesänderung gestartet. Erdrückende neue Beweismittel müssten berücksichtigt werden, fordert er, der Appell hat bereits mehr als 60.000 Unterstützer gefunden.

„Der Beklagte hat als unschuldig zu gelten“

Rechtsanwalt Matthias Waldraff, der den Beklagten vertritt, sagte der der Entscheidung: „Das Urteil der zweiten Zivilkammer entspricht meiner Erwartung und meinem Antrag.“ Das Gericht sei der eindeutigen Rechtslage gefolgt. Von Möhlmann werde auch bei einer Berufung vor dem Oberlandesgericht in Celle scheitern, prognostizierte der Jurist. Das Gericht werde die Berufung ohne mündliche Verhandlung im Beschlusswege zurückweisen.

Auch ein neuer Wiederaufnahmegrund bei Strafprozessen würde von Möhlmann nicht helfen, sagte Waldraff. „Selbst falls der Gesetzgeber eine solche Änderung veranlassen sollte, würde er rückwirkend davon nicht profitieren.“ Eine Gesetzesänderung wäre verfassungskonform nur für zukünftige Fälle gültig. „Unverändert gilt: Der Beklagte hat als unschuldig zu gelten. Weder er noch seine Familie dürfen sozial geächtet werden“, betonte Waldraff.


Quelle: dpa http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft ... 93561.html

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