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Vergewaltigungsopfer bricht Schweigen

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Vergewaltigungsopfer bricht Schweigen

#1

Ungelesener Beitrag von Salva » So, 4. Okt. 2015, 02:27

Vom 29.09.2015

Gewalttat am Bleibtreusee in Brühl - Vergewaltigungsopfer bricht Schweigen und will anderen Opfern helfen

Bild nicht mehr vorhandenNach dem traumatischen Erlebnis ist in dem Leben von Frauen, die vergewaltigt wurden, vieles anders. Ein Opfer aus Hürth möchte jetzt eine Selbsthilfegruppe gründen. Foto: Havlicek
Vor einem Jahr ist eine Hürtherin am Bleibtreusee vergewaltigt worden. Jetzt spricht sie über den Tag und über ihre Ängste, die sie bis heute hat. Die Frau möchte eine Selbsthilfegruppe gründen, um mit anderen Opfern zu sprechen.

Rhein-Erft-Kreis.

Wenn sie über den Tag im vergangenen November spricht, wird ihr Blick starr. Angestrengt blickt die Frau auf die Platte des Tisches, an dem sie sitzt, und faltet die Hände. Dann lässt sie den Tag Revue passieren, an dem ihr Leben aus den Fugen geriet. Den Tag ihrer Vergewaltigung.

Die Verkäuferin aus Hürth war krankgeschrieben. „Es ging um meinen Rücken. Aber der Arzt hatte gesagt, ich solle ruhig spazieren gehen“, erinnert sie sich. Sie stieg ins Auto, fuhr nach Brühl zum Bleibtreusee und parkte ihr Fahrzeug auf dem Schotterplatz nahe der Auffahrt zur Luxemburger Straße. „Ich war schon eine kleine Weile unterwegs, als ich merkte, dass ich nicht mehr konnte“, sagt sie. Kurz vor der Wasserski-Anlage drehte sie um und nahm den Weg zum Parkplatz zurück. Plötzlich war ein Mann hinter ihr. „Ich weiß nicht, woher er so plötzlich gekommen ist“, berichtet die Hürtherin. „Anfangs habe ich mir noch nichts dabei gedacht. Doch dann merkte ich, dass er rauchte und dass er mir folgte.“

Sie beschleunigte ihren Schritt, doch kurz vor dem Parkplatz hatte der Mann sie eingeholt. Die Frau spürte, wie er sie von hinten im Nacken packte. Dann schlug er auch schon mit der Faust gegen ihr Jochbein. Dabei drängte er sie vom Weg. „Ich stolperte durch die Büsche“, erinnert sich die Frau. „Er hielt mich gepackt und trieb mich vor sich her. Ich habe wie wild um mich geschlagen.“ Doch dann hörte sie mit einem Mal auf, sich zu wehren. „Ich habe aufgegeben“, sagt sie und schluckt schwer. Dabei knetet sie ihre Finger und schüttelt unmerklich den Kopf. „Ich dachte nur: »Er soll machen, was er will, Hauptsache, ich bleibe am Leben«.“

Viele Gedanken

Während der Unbekannte über sie herfiel und sie vergewaltigte, gingen der Hürtherin viele Gedanken durch den Kopf: „Warum gehst du auch hier spazieren?“ „Warum passiert mir das?“ „Sollte ich mich doch weiter wehren?“ Sogar an den bevorstehenden Arzttermin dachte sie, der am gleichen Nachmittag stattfinden sollte. Wie lange die Tortur dauerte, weiß die Verkäuferin nicht mehr. „Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren.“ Als der Mann von ihr abließ und verschwand, konnte sie an nichts anderes denken als an den Kontrolltermin bei ihrem Hausarzt. Regelrecht mechanisch säuberte sie ihre Hände und ging zu ihrem Auto, ließ den Motor an und fuhr zum Hürth-Park.

In der Arztpraxis starrten die Sprechstundenhilfen und die anderen Patienten sie an. „Ich habe mich aber einfach hingesetzt und gewartet, dass die Kontrolluntersuchung startet“, erzählt die Hürtherin. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass ihre Kleider zerrissen waren und vor Dreck standen. „Ich habe gar nicht realisiert, wie ich aussah“, sagt sie mit einem traurigen Lächeln. „Erst als mich eine Mitarbeiterin vorsichtig in ein Séparée bat, wurde mir meine Lage bewusst, und ich realisierte so langsam, was mir passiert war.“ Dann platzte das Erlebte förmlich aus ihr heraus.

Anzeige erstattet und therapeutische Hilfe

Bis heute ist sie froh, dass sie zur Polizei gegangen ist und Anzeige gegen den Unbekannten erstattet hat. Auch wenn die Untersuchungen und die Zeugenaussagen „mehr als grenzwertig“ gewesen seien, wie sie sagt, waren. „Aber es gibt Menschen, die schweigen über so etwas und können sich niemandem öffnen. Ich hingegen bin jemand, der darüber reden möchte und muss.“ Zudem hat sie therapeutische Hilfe.

Trotzdem läuft ihr Leben nach wie vor so ganz anders, als sie es gern hätte. Durch das Erlebte könne sie nicht mehr als Verkäuferin arbeiten. „Ich kann einfach keine Männer mehr bedienen. Egal welchen Alters.“ Immer wieder hat sie Panikattacken – im Supermarkt an der Kasse, auf der Kirmes, auf der Straße. „Im Kino kann ich nur in der hintersten Reihe und ganz außen sitzen“, sagt sie. „Es ist wie eine Verfolgungsangst.“ Die Hürtherin hat Alpträume, Schlafstörungen, Verfolgungswahn. Und ihr machen die Kommentare einiger Arbeitskollegen und Bekannte zu schaffen. Wie sie auch bloß allein im Wald habe spazieren gehen können. Dass sie sich mehr hätte wehren sollen. Sie sei es doch selber schuld.

Jeden Tag aufs Neue

Jeden Tag versucht die Hürtherin aufs Neue, unvoreingenommen und unbelastet zu starteten. Aber es gelingt ihr nur selten. Sie ist ständig matt. Und: Sie hat ein Problem mit Männern. „Ich sehe in jedem Mann etwas Böses“, sagt sie. „Ich weiß ja, dass es eigentlich nicht stimmt. Aber ich empfinde es so.“

Sie möchte sich nun selber wieder aufbauen – mit Hilfe anderer betroffener Frauen. „Ich würde gern mit Leute darüber reden, die mich verstehen, die selber so etwas erlebt haben.“ Daher hat sie beim Selbsthilfe-Büro Rhein-Erft-Kreis des Paritätischen in Hürth angemeldet, eine neue Selbsthilfegruppe für Frauen, die vergewaltigt wurden, zu gründen. Sie freut sich, wenn sich andere Betroffene zu Erfahrungsaustauschs und gegenseitiger Hilfestellung beim Paritätischen melden, sodass die neue Gruppe im September starten kann. Durchstarten in ein normaleres, befreites Leben.

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Re: Vergewaltigungsopfer bricht Schweigen

#2

Ungelesener Beitrag von Salva » So, 4. Okt. 2015, 02:32

Was der Brühler Therapeut über die seelischen Folgen einer Vergewaltigung weiß

Bild nicht mehr vorhandenPsychoanalytiker und Therapeut Hans Schmitz aus Brühl. Foto: Patrik Reinartz
"Hilflosigkeit und Ohnmacht"

Herr Schmitz, welches Erlebnis ist bei einer Vergewaltigung besonders traumatisch? Der körperliche Schmerz oder die Gewalt an der Seele?

Das kann man nicht klar abgrenzen, das ist ein Zusammenspiel vieler Faktoren. Eine Vergewaltigung ist ein Eingriff in die intimste Sphäre einer Frau, wobei ihre Selbstbestimmung völlig übergangen wird. Bei jungen Frauen kann die gesamte sexuelle Entwicklung belastet sein. Die Fähigkeit zur Selbstbehauptung wird unterminiert. Traumatisch ist das Erleben von Ohnmacht und Hilflosigkeit bei Schmerz und Gewalt.

Was macht eine Vergewaltigung psychisch mit einem Menschen?

Es besteht die Gefahr, dauerhaft in eine Opferrolle zu geraten und die Fähigkeit zur Selbstbehauptung zu verlieren. Bei manchen Frauen entstehen Schuldgefühle, weil ihnen eine Mitverantwortung unterstellt wird, sie sind dann doppelt traumatisiert. Viele leiden auch unter dissoziativen Zuständen. Das ist ein Fremdheitsgefühl sich selbst und anderen gegenüber. Die Frauen haben das Gefühl, neben sich zu stehen. Ursprünglich handelt es sich dabei um eine Schutzreaktion. Die Betroffene versucht, die Tat nicht zu nahe an sich herankommen zu lassen, indem sie denkt: „Das ist nicht mehr mein Körper.“ Diese innere Distanzierung kann später weitreichende Folgen haben und in andere Lebensbereich übergreifen. Es kann auch zu Flashbacks (plötzliche Wiedererleben – Anm. d. Red.) kommen.

Wie lange braucht ein Opfer, um eine solche Tat zu verarbeiten?

Dafür gibt es keine Regel. Es ist abhängig von der Persönlichkeit des Opfers, von den Umständen der Tat und vom Umfeld. Es ist auch die Frage, ob eine Therapie anschlägt. Hinterfragen kann man auch, was „Verarbeitung“ eigentlich heißt. Heißt das, wieder „funktionsfähig“ zu sein? Oder wieder genussfähig zu sein? Dass es sich alles in allem um einen langwierigen Prozess handelt, kann man aber sicherlich sagen.

Was sollte ein Opfer tun, um das Geschehene aufzuarbeiten?

Eine Therapie kann sehr hilfreich sein, eventuell zunächst eine Krisenintervention. Auch eine Selbsthilfegruppe ist sinnvoll. Wichtig ist, sich nicht nur auf das Geschehene zu fixieren, sondern darauf abzuzielen, die sexuelle Selbstbestimmung wiederzuerlangen und weiterzuentwickeln. Man muss auch an Situationen arbeiten, in denen die Erlebnisse wieder „angetriggert“ werden können. Ein verständnisvolles Umfeld ist bei der Verarbeitung hilfreich, ebenso ein Partner, der mit dem Geschehenen umgehen kann, ohne sich vollständig als Mann zurückzunehmen.

Wie sollte sich eine Betroffene ihrem Umfeld gegenüber verhalten?

Sie sollte offensiv mit dem Geschehenen umgehen, auf Grenzverletzungen achten und auch darauf reagieren, um nicht vollends in eine Opferrolle zu geraten. Sie sollte das Geschehene nicht unter den Tisch fallen lassen und eine juristische Aufarbeitung anstreben, auch wenn es im häuslichen Umfeld passiert ist. Denn nur so wird deutlich, dass es sich um eine gravierende Straftat handelt.

Das Gespräch führten Britta Havlicek und Patrik Reinartz

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Re: Vergewaltigungsopfer bricht Schweigen

#3

Ungelesener Beitrag von Salva » So, 4. Okt. 2015, 02:38

Hilfe nach einer Vergewaltigung

Im vergangenen Jahr sind der Polizei im Rhein-Erft-Kreis 205 Sexualdelikte gemeldet worden, darunter waren 41 vollendete Vergewaltigungen und sieben versuchte. 14 der Vergewaltigungen und eine der versuchten Vergewaltigungen sind im Freien, also im Wald, auf einem Parkplatz in Unterführungen oder ähnlichem, begangen worden. Die Dunkelziffer, also Taten, die nicht angezeigt werden, ist sehr hoch.

Bei jeder Polizeidienststelle kann eine Vergewaltigung angezeigt werden. Natürlich gilt jederzeit der Notruf 110. Die Beamten nehmen die Personalien und Angaben über den Tatort, die Tatzeit und den Täter sowie erste notwendige Hinweise zur Tat auf. Für eine weiterführende Vernehmung kurze Zeit später ist eine Kripobeamtin zuständig.

Ist das Opfer bis zur Erstattung der Anzeige noch nicht ärztlich untersucht worden, wird es von der Polizei in ein Krankenhaus oder in eine Arztpraxis gebracht.
Rat und Hilfe erhalten Opfer bei den Notrufeinrichtungen wie den Frauennotruf, Frauenhäusern, den Gleichstellungsbeauftragten bei Kreis- und Stadtverwaltungen, Opferhilfeorganisationen wie dem Weißen Ring.

Die Selbsthilfegruppe für vergewaltigte Frauen, die jetzt im Paritätischen Selbsthilfe-Büro gegründet wird, ist unter

Telefon: 0 22 33/ 979 95 41
Internet: www.selbsthilfe-rhein-erft.de

erreichbar.


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